Eigentlich ist die Funktion von Verträgen nach dem Prepaid-Verfahren offensichtlich. Der Kunde erwirbt ein Konto beim Anbieter, für das er meist eine niedrige Grundgebühr zahlt. Je nach Vertragsausgestaltung wird nur verbrauchtes Guthaben oder Guthaben zuzüglich diverser Gebühren aus den Einzahlungen des Kunden beglichen. Die korrekte Abwicklung setzt ein Abrechnungs-verfahren in Echtzeit voraus. Wenn das nicht der Fall ist oder für unterschiedliche Leistungen verschiedene Zahlungsmodi angewendet werden, kann es zu negativem Guthaben kommen.
Die Gebührenfallen
Typisches Beispiel ist der Verbrauch eines Zeitguthabens für das Mobiltelefon. Der Anbieter lässt dem Kunden die Leitung freigeschaltet, bis kein Gesprächsguthaben mehr vorhanden ist. Eventuelle Extragebühren stehen aber in diesem Moment noch offen. Ähnlich gelagert sind Fälle, in denen ein Guthaben aufgebraucht wurde, aber monatliche Festgebühren trotz “leerem” Konto weiter auflaufen. Diese Gebühren führen den Kontosaldo ins Minus. Mit entsprechenden Vertragsklauseln versuchen die Anbieter, diese eigentlich nicht möglichen Negativsalden rechtlich abzusichern.
Abrechnung ist Anbietersache
Einige Prepaid Tarife weisen in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen beispielsweise die Ausgleichpflicht des Kunden aus, wenn durch verzögerte Abbuchungen oder Abrechnungen eine Negativbelastung entsteht. Einen ähnlichen Ansatz vertreten Klauseln, die eine weitere Berechnung und Fälligkeit von monatlichen Grundgebühren trotz aufgebrauchtem Guthaben vorsehen. Die Rechtssprechung hat zu diesen Klauseln und dem Negativsaldo Position bezogen und eine klare Richtlinie aufgestellt. Der Kunde darf erwarten, dass die Prepaid Tarife keine Kosten außerhalb eines Guthabens verursachen. Abrechnungs- und Abwicklungsmodalitäten sind alleine Sache des Anbieters.
Kaufargument Kostenkontrolle
Eines der entscheidenden Kaufargumente für Kunden, die Prepaid Tarife wählen, ist die volle Kostenkontrolle. Wie die Oberlandesgerichte in Frankfurt und München in ihren Urteilen feststellten, wird ein Prepaid-Vertrag abgeschlossen, um mit dem erworbenen Guthaben sämtliche Folgekosten im Vorhinein bezahlt zu haben. Ein für die Gerichte typischer Entscheidungsgrund für den Abschluss eines Prepaid-Vertrags ist die Nutzung des mobilen Telefonanschlusses durch Minderjährige, Schutzbefohlene oder unterstellte Mitarbeiter. Infolgedessen erklärten die Gerichte Klauseln, die ein Negativsaldo auf dem Prepaidkonto zulassen und einen Ausgleich verlangen für nichtig.
Unzulässiger Zirkelschluss
Die richterliche Entscheidung entschied unmissverständlich, dass schon die Möglichkeit, dass ein Negativsaldo entsteht, mit dem Recht nicht zu vereinbaren ist. Die Richter monierten diese Vertragsklausel, oft auch besonders auf den Fall einer Anschlusssperrung angewendet als unzulässigen Zirkelschluss. Als weiterführende Konsequenz müssen Anbieter, die Prepaid Tarife mit monatlichen Grundgebühren anbieten, bei aufgebrauchtem Guthaben eine kostenneutrale Vertragspause einräumen. Erst nach dem Aufladen neuen Guthabens beginnt ein neuer Abrechnungszeitraum, der neben dem Zeitguthaben zur Fälligkeit von Gebühren führen kann.
Ohne Guthaben sofortiger Leistungsstopp
Die klare Rechtssprechung umfasst alle nutzungsabhängigen und unabhängigen Kosten, zu denen neben den Gesprächskosten Grund- und Bereitstellungsgebühren und Roaming-Gebühren zählen. Der Anbieter hat in Echtzeit für den Ausgleich aller auflaufendend Kosten aus dem vorhandenen Guthaben zu sorgen und ist gehalten, bei erschöpftem Guthaben die Leistung sofort einzustellen. Damit nehmen die Gerichte auch gegenüber den Ausführungen der Anbieter Stellung, die ihren Kunden ein abruptes Unterbrechen von Telefongesprächen ersparen wollen. Wenn dieses vermeintlich kundenfreundliche Vorgehen praktiziert wird, entfallen jede Nachforderungs- und Ausgleichspflicht und alle damit verbundenen Mahn- oder Bearbeitungsgebühren.
Die Kundenwahrnehmung entscheidet
Ausdrücklich wiesen die Gerichte darauf hin, dass in erster Linie die deutliche Kenntlichmachung des Vertrags als Prepaid-Produkt die beurteilten gesetzlichen Grundlagen gültig mache. Vermarktungsnamen und Vertragsangebote, die im Schwerpunkt vom Kunden deutlich als Prepaid wahrgenommen würden, könnten nicht durch die Qualifizierung als “Pseudo”-Produkte oder Mischangebote ausgenommen werden. Das Oberlandesgericht Frankfurt führte dazu aus: “… die beanstandeten Bestimmungen sind nur in solchen Verträgen unwirksam, die im Gewande eines Prepaid-Vertrages erscheinen.”